Automobile Kuriositäten

Als ich 1977 noch in der Lehre zum KFZ-Mechaniker war, kam mein Schwager ohne seinen völlig verrotteten VW-Käfer nach hause.
Auf seinem Heimweg waren plötzlich einige Pupil-len von Ordnungshütern auf ihn und seinen nicht wenig auffälligen Käfer gerichtet.
Von vorn sah das Gefährt beinahe aus wie ein zu heiß gewaschener Mercedes 170. Von hinten war es immer noch der ehemalige Stolz der Nation. Von der Seite wirkte es mit seinem auf dem Fahr-untergrund schleifendem Trittbrett wie der jäm-merliche Rest einer dem Verfall zugedachten Blechruine.
Die Wachtposten, äh -meister hatten aufgrund
von technischem Unverständnis wenig Zutrauen in die reibungslose Fortbewegungsmöglichkeit mit diesem wundersamen Mobil - und legten es nicht kurzerhand, sondern durch den langen Arm des Gesetzes still.
Das einzige noch zu rettende Stück war die Kofferraumhaube, die sich bei dem Käfer aus technischen Gründen vorn befand.
Da mein erstes Auto, einen Autobianchi A 112 bereits bei der ersten Fahrt schrottreif gefahren hatte, musst ich bei dem zweiten Fahrzeug ordentlich sparen. ich hatte Glück und erstand für 300,- DM einen VW-Käfer BJ. 1962.
Ein in damaliger Zeit unter Schwagern noch üblicher geringer Geldbetrag und die Sonderanfertigung des Kofferraumdeckels wechselten den Eigentümer.
Mein neues Erwerbsgut fand durch meine Hände Arbeit den Weg an die richtige Stelle meiner alten Karosse.
Ein neuer V-Cedes war geboren.
Zu dieser Zeit gab es bereits die staatliche Einmischung in die technischen Angelegenheiten der auto-mobilen deutschen Welt durch eine Vereinsüberwachung. Und weil durch die etwas gewichtigere Haube die Daten im technischen Merkblatt, also des Fahrzeugbriefes nicht mehr den neu geschaffenen Tatsachen entsprachen, musste der Technische Überwachungsverein (TÜV) die Änderungen akzeptieren.
Also erst mal ab auf die Waage der Adelbyer Meierei in Flensburg (die gab es damals noch) und mit der neu erworbenen Wiegekarte zum TÜV.
Der verständige Sachbedienstete befand allerdings den Blickwinkel der Fahrtrichtungsanzeiger für zu kurz, weil die mächtige Haube diese zum Teil verdeckt hatten, weshalb ich die Blinker auf den Kotflü-geln bis ganz nach vorn an die Scheinwerfer setzen musste.
Außerdem fehlte die zweite Haubensicherung. Die Haube des Käfers wurde damals ausschließlich vom Innenraum aus geöffnet, und erst spätere Modelle ab 1967 hatten am Griff der Haube noch einen Knopf, den man drücken musste, um die Haube endgültig zu entriegeln. Die Vorgänger hatten so eine Sicherheitsvorrichtung noch nicht, die älteren Autofahrer werden sich erinnern. Also habe ich aus Teilen eines alten Ford und dem traurigen Rest meines Autobianchi´s eine zweite Haubensicherung konstruiert.
So, das war doch wohl kein Problem. Beim nächsten Besuch stellte der Prüfer dann fest, dass über-haupt keine Haubenstütze vorhanden war, denn die Federkraft der originalen Federn reichte jetzt nicht mehr aus, um die geöffnete Kofferraumabdeckung in diesem Zustand zu belassen. Zur Lösung dieses Problems legte ich noch eine Eisenstange in den Kofferraum. Dieses Mal fragte mich der Ingenieur mit tiefem Ernst in der Stimme wie auch im Gesicht, nachdem ich die Haube geöffnet und die Eisenstange als Stütze benutzte: "Und wo, junger Mann, ist der Sturzhelm?" Schließlich könnte man versehentlich die Stange umstoßen und die schwere Haube würde einem auf die Gehirnhülle fallen. Ich versicherte ihm, das niemand außer mir jemals die Haube öffnen werde und sich am Inneren des Kofferraumes zu schaffen machen dürfe. Und ich sei schließlich ein außerordentlich umsichtiger Mensch, sodass ein von ihm befürchtetes Unglück praktisch ausgeschlossen sei. Endlich gab er mir seinen Segen und den Eintrag in die Fahrzeugpapiere.
Das seelenlose Blechgehäuse mit der vorkriegszeitlichen aber zuverlässigen Antriebstechnik beförder-te andere Personen und mich noch neun Monate über die asphaltierten Wege unserer schönen Heimat bis die nächste Hauptuntersuchung bei dem staatlich anerkannten Überwachungsorgan anstand. Es war eine schöne Zeit, in der der Mischling und ich einige interessante und lustige Erlebnisse teilten. Als meine frühere Verlobte, spätere Frau und Mutter meiner Kinder, und ich eine Spazierfahrt über Land unternahmen, luden wir einen älteren Herren ein, der am Straßenrand per Handzeichen um Beförderung bat. Als er im wenig geräumigen Fond Platz genommen hatte und staunend den typi-schen singenden Geräuschen des luftgekühlten Vierzylinder-Boxers im Heck lauschte, sammelte sich in seinem einzigartigen Denkapparat genug Mut an um die Frage zu formulieren: "Is dat en utländische Mercedes oder wat?" Ich stach in die Blase seiner Träume und bekannte, dass es sich lediglich um einen ganz normalen VW handelte, der sein nicht alltägliches Erscheinungsbild lediglich der Anbrin-gung einigen zusätzlichen Bleches und der Montage des Markensymbols eines älteren Mercedes ver-dankte.

Einmal, als ich allein mit dem V-Cedes in Flens-burgs engen Gassen unterwegs war, sprang plötzlich ein Mann mit einer Kamera vor mein sich noch in Bewegung befindendes Auto und machte ein Foto. Nur meiner schnellen Reaktion verdankte er Leben und Gesundheit. Beides benutzte er, um den mittels modernster Technik eingefangenen Moment am nächsten Tag in der Zeitung veröf-fentlichen zu lassen.
Das Foto rechts bescheinigt seine heroische Tat. Der Original-Zeitungsausschnitt befindet sich heute noch in meinem Besitz.
Die Schmach der anstehenden Hauptuntersu-chung ersparte ich dem V-Cedes und mir. Unsere Wege trennten sich. Ihn hatte man danach ganz lieb gehabt und drückte ihn dabei aber so doll, dass nur noch ein kleiner Würfel von ihm übrig-blieb. Ich stürzte mich in das Abenteuer der Grün-dung einer eigenen Familie.