Günni bei der Arbeit

Manchmal muss Günni richtig arbeiten. Eines Tages musste Günni jedenfalls richtig arbeiten, so ganz doll. Günni kann fast alles. Er kann z. B. Fußböden verlegen und danach die Fußleisten anbringen ohne Zuhilfenahme einer Leiter. Günni kann auch tapezieren – darf er aber nicht. Auch das ist wieder eine andere kleine Geschichte.
Jedenfalls musste Günni eines Tages ein altes Fenster ausbauen und noch am selben Tag ein neues Fenster an gleicher Stelle wieder ein-bauen. Dafür hat Günni verschiedene Werk-zeuge. In der Wohnung, die zu der Wand gehörte, in dem das alte Fenster saß, welches nicht mehr ordnungsgemäß funktionierte, wohnte eine junge Frau, die sehr schlau werden wollte und zu diesem Zweck irgendwas studierte. Günni wusste nicht was es war, er wusste nur, was es nicht gewesen sein konnte. Nämlich Physik, Telekommunikationstechnik oder die Kunst, ein altes Möbel als Antiquität zu erkennen.
Als Günni befähigt durch seine universelle Genialität auf universell geniale Art und Weise oder wie man im Fachjargon sagt: fach- und sachgerecht. Zuerst hatte Günni das funk-tionsuntüchtige Fenster ausgebaut. Nach die-sem für die Welt wenig spektakulären Ereignis wurde das neue Fenster unter Berücksichtigung aller Eventualitäten, die dazu führen können, dass ein neues Fenster weniger genial funktioniert, als man es von Fenstern erwartet, die von Günni eingebaut worden sind, ein-gebaut. Aber nun stellte die auf wenigstens einem Gebiet wissensdurstige junge Frau erschreckt fest, dass ihr schöner antiker Tisch, der sich unglücklicherweise während der Montagearbeiten in unmittelbarer Nähe des Arbeitsbereiches von Günni befand, durch tiefe Verletzungen der Oberfläche, also durch Kratzer in seinem immensen Wert erheblich herab-gesetzt wurde.
Diese Wertminderung schrieb sie tatsächlich dem in seinen Bemühungen, alles ordnungs-gemäß und genial zu bewerkstelligen völlig aufgegangenen armen Günni zu. Das von so einer völlig ungerechtfertigten Anschuldigung überraschte Universalgenie sah sich genötigt, die Lernbemühte darauf hinzuweisen, dass erstens nicht jedes Möbel, welches vor ca. fünfzig Jahren von einem in heutiger Zeit völlig vergessenen Dorftischler zusammen genagelt wurde auch immer gleich eine wertvolle Antiquität darstellt. Außerdem widerstrebe es seiner Genialität, derartige Verunstaltungen auch an einem nach seiner Auffassung höchst-wahrscheinlich für den Winter
als Heizvorrat gebunkerten Stück Holzes vorzu-nehmen. Denn auch dem Kamingut eines Kunden zolle er immer allen nötigen Respekt. Die weniger erboste, sondern mehr erstaunte Wissensinteressierte zollte wiederum dem offensichtlich beachtlich allgemeingebildeten kleinen Handwerker für das Füllen dieser Wissenslücke außerordentlichen Respekt.
Zu dieser ganzen Misere kam noch der Umstand hinzu, dass vor Jahren einmal ein überaus erfindungsreicher Mensch zwecks Durführung eines Telefonkabels durch den Rahmen des alten Fensters ein Loch gebohrt hatte. Durch diese damals von statten gegangene heroi-sche Tat war Günni gezwungen, das Telefon-kabel von der Telefonanschlussdose an der Außenwand fachgerecht zu trennen, wodurch es logischerweise zu keinen herausführenden und eingehenden Telefonverbindungen kom-men konnte. Diese technische Verstümmelung blieb natürlich nicht unbemerkt.
Während des Einbaus des neuen Fensters verlegte Günni die Nabelschnur zur Außenwelt gewohnt fachgerecht und verdrahtete diese mit der bereits erwähnten Dose an der Außenwand. Nach Abschluss dieser techni-schen Meisterleistung bat Günni die Universi-tätsabsolventin die wiederhergestellte Verbin-dung zu testen. Allerdings wies er darauf hin, dass die Hochbegabte bei künftiger Benutzung der bellschen Anlage rückwärts in die Apparatur zu sprechen habe, damit das Gesprochene vorwärts beim anderen Teilnehmer ankomme, weil Günni die Drähte vertauscht hat und dieser Fauxpas im vorgesehenen Zeitrahmen nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Mit angestrengter Konzentration lauschte die geistig Regsame seinen Ausführungen und erkundigte sich auch gleich bei Günni, ob er wüsste, wo man wohl eine Vorlesung besuchen könne, in der man möglichst unkompliziert das Rückwärtssprechen erlernen würde.
Nach dem ersten anstrengenden, atemrauben-den Lachanfall klärte Günni, immer noch in Atemnot, die geistig Minderbemittelte darüber auf, dass die Arbeit eines genialen Günni frei von jeglichen Fehlern sei und das ein Studium der Physik in ihrem Falle völlig frei von Erfolg bleiben müsse. Enttäuscht legte die Beklagens-werte sich ins Bett um die zuletzt gemachten Erfahrungen vorschriftsmäßig in ihren Träumen zu verarbeiten. Beim Hinausgehen schloss Günni dann leise und kopfschüttelnd die Tür.